Wir merken bloß, daß unsre ganze Existenz in neue Gleise fortgerissen, fortgeschleudert wird, daß neue Verhältnisse, Freuden und Drangsale uns erwarten, und das Unbekannte übt seinen schauerlichen Reiz, verlockend und zugleich beängstigend. […] Die Eisenbahnen sind wieder ein solches providentielles Ereignis, das der Menschheit einen neuen Umschwung gibt, das die Farbe und Gestalt des Lebens verändert; es beginnt ein neuer Abschnitt in der Weltgeschichte, und unsre Generation darf sich rühmen, daß sie dabeigewesen.
- Heinrich Heine, Paris, 5. Mai 1843
Was ist ein Prozess? Ist ein menschengemachter Prozess grundlegend verschieden von einem Prozess, der sich auch ohne uns in der Natur ereignet? Als wir gefragt wurden, eine künstlerische Arbeit für eine historische Ausstellung über die Entwicklung der Zugfahrt zu konzipieren, wollten wir uns unmittelbar mit dem menschlichen Eingriff in die Natur beschäftigen.
Die Landschaft am Boden verändert sich zunächst nur allmählich – verglichen mit den wirklichen Entwicklungen, ist die Geschwindigkeit jedoch sehr hoch. Berühren wir die Projektionsfläche mit der Hand oder dem Fuß, wachsen um den Berührungspunkt herum menschliche Strukturen, Häuser und Straßen, vor denen die Landschaft zurückweicht. Warten wir lang genug, verschwinden diese Strukturen auch wieder, und die Natur kehrt an ihren ursprünglichen Ort zurück.
Auch die vertikale Projektion verwandelt sich durch unseren Eingriff. Mit zunehmender Strukturierung der Landschaft taucht sie tiefer und tiefer in die mikroskopischen Prozesse, die im Laufe der industriellen Revolution technisch beherrschbar wurden, und ohne die die am Boden hervorgerufenen Veränderungen gar nicht möglich wären.
Beide Projektionen erzeugen zusammen einen doppelten Zeittunnel, der die rasend schnellen Mikroprozesse verlangsamt, und gleichzeitig die Veränderungen im Großen beschleunigt, um beide auf ein hypnotisches Zwischentempo zu bringen. Und auch die Kausalität unseres Handelns erscheint zweigeteilt: Wenn wir die Projektion berühren, wird uns die unmittelbare Auswirkung sofort bewusst. Die Entwicklung, die darauf folgt, entzieht sich dagegen unserem Einfluss, und wir können nur beobachten, wie die Prozesse von Bewegung und Wandel sich verselbstständigen, um auf einem langen Umweg schließlich zu ihrem Urzustand zurückzukehren.
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fürKulturBahnhof Grevenbrück
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KuratorinKatharina Hülscher
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Konzept
Medienplanung
AusführungDaniel Hengst
David Wesemann -
Programmierung
Design - LandschaftDaniel Hengst -
Animation (2d/3d) - MikroprozesseDavid Wesemann
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Weitere Programmierung - CitymapsAbe Pazoz